Presse

Abschied von zwei außergewöhnlichen Persönlichkeiten

Stuttgart, Mai 2023

 

 

Nach fast 20 Jahren gibt es an der Spitze von Vorstand und Verwaltungsrat des Bau- und WohnungsVerein Stuttgart altersbedingt einen Wechsel. Vorstandsvorsitzender Thomas Wolf und der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Dr. Karl Epple, wurden verabschiedet. Für Kontinuität im Vorstand sorgen als Nachfolger Jürgen Oelschläger und Maike Jutrzinski.

Die Verabschiedung fand im festlichen Rahmen mit rund 120 Gästen, zumeist langjährige Wegbegleiter, im Kursaal Bad Cannstatt statt. Vor Ort konnte der frisch gewählte neue Vorsitzende des Verwaltungsrats, Dr. Manfred Pumbo, auch zwei Stuttgarter Bürgermeister begrüßen: Isabel Fezer (Referat Jugend und Bildung) sowie Thomas Fuhrmann (Referat Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen).

Mit Hinweis auf eine hervorragende Gesamtbilanz unterstrich Dr. Pumbo das Wirken der beiden Persönlichkeiten: Seit 2004 hat der Bau- und WohnungsVerein Stuttgart (BWV) knapp 500 neue Wohnungen, drei Kitas und drei Quartiertreffs erstellt, 1.800 Wohneinheiten modernisiert oder saniert und dafür insgesamt rund 364 Mio. Euro aufgewendet. Auch die Bilanzentwicklung kann sich sehen lassen: Zwischen 2004 und Ende 2022 stieg das Eigenkapital von 61 auf 114 Mio. Euro.

Thomas Wolf sorgte für eine neue strategische Ausrichtung des BWV. Zu den Meilensteinen gehören der Umbau und der Umzug mit der Geschäftsstelle in das denkmalgeschützte Gebäude Schwarenbergstraße 64, Portfolioanalysen des Gebäudebestands und der Start eines umfänglichen Modernisierungs- und Neubauprogramms. Zudem baute er eine teamorientierte Organisationsstruktur auf, u.a. durch multidisziplinäre Bewirtschaftungsteams. Unter seiner Ägide wurde 2016 – im Jahr des 150-jährigen Jubiläums des BWV – entschieden, die Neubautätigkeit über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus auf Städte wie Freiberg am Neckar, Gerlingen und Winnenden auszuweiten.

 

Der Tradition verpflichtet – für Innovationen offen

Thomas Wolf fühlte sich immer den Wurzeln des Gründers – der Bankier, Genossenschaftler und Sozialreformer Eduard Pfeiffer (1835 – 1921) – verpflichtet, einem Pionier des sozialen Wohnungsbaus. Die ehemalige Siedlung Ostheim, heute das Zentrum des Stadtbezirks Stuttgart-Ost, ließ Wolf mustergültig sanieren. Nachhaltige Bestandspflege, Quartiersbelebung sowie ökologisches Bauen und Wohnen bildeten ebenfalls einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Mit rund 120 denkmalgeschützten und stadtbildprägenden Gebäuden des BWV gab es ein großes Betätigungsfeld.

Nicht nur im BWV setzte sich Thomas Wolf für guten und bezahlbaren Wohnraum und ein attraktives Wohnumfeld ein. Er wirkte viele Jahre im „Bündnis für Wohnen“ der Landeshauptstadt Stuttgart mit und leitete die Arbeitsgemeinschaft I (Stuttgart-Stadt). 2022 erhielt Thomas Wolf mit der Goldenen Verdienstmedaille die höchste Auszeichnung des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Dort war der studierte Betriebswirtschaftler zwischen 1993 und 2004 zunächst Wirtschaftsprüfer, ab 1997 als geschäftsführendes Vorstandsmitglied tätig.

Bei der Verabschiedungsfeier betonte vbw-Präsident Peter Bresinski (Geschäftsführer der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz Heidelberg) in seiner Laudatio das „riesige Netzwerk in der Wohnungswirtschaft“ von Thomas Wolf, der immer ein „Freund klarer Worte“ gewesen sei. Und da Wolf bereits alle Auszeichnungen des vbw aufgrund seines vielfältigen Engagement erhalten habe, konnte der Verbandspräsident ihn zum Abschied nur nochmals für sein „gemeinwohlorientiertes Engagement“ loben.

 

Würdigung für das Team Vorstand – Verwaltungsrat

vbw-Präsident Bresinski hob den BWV als „seriösen, zuverlässigen Partner“ hervor, der konstant „sozial, ökologisch und gemeinwohlorientiert“ tätig sei. Für Dr. Karl Epple, den scheidenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats, hatte er zudem die goldene Ehrennadel des vbw dabei. Dr. Epple, bis 2015 Vorstand der L-Bank, wurde im November 2003 in den Verwaltungsrat gewählt, dessen Vorsitz er seit 2007 inne hatte. Aufgrund der satzungsgemäßen Altersregelung war keine Wiederwahl möglich. Bresinski: „Beide Persönlichkeiten haben Betriebswirtschaftslehre studiert, beide sind Zahlenmenschen, aber auch Menschenfreunde. Das zeichnet sie aus.“

Als weiterer Weggefährte betonte Rüdiger Maier, Vorsitzender der ARGE Stuttgarter Wohnungsunternehmen und Vorstandsmitglied von Neues Heim – Die Baugenossenschaft eG, den großen nebenberuflichen Einsatz von Thomas Wolf. Er erinnerte an die erste Begegnung, als er sich 1996 beim damaligen vbw-Prüfungsdirektor Wolf um eine Assistenzstelle bewarb und den Job erhielt. Seither verbinde beide ein reger Austausch und ein großes Vertrauen.

Der Geehrte blickte bei der Abschiedsfeier launig wie auch nachdenklich auf sein erfolgreiches Berufsleben zurück, auf das er „mit großer Zufriedenheit und großer Dankbarkeit“ blicke. Sein katholisches Elternhaus habe ihn streng und früh zur Arbeit hin erzogen. Wolf war fast 30 Jahre seiner insgesamt 42-jährigen Berufstätigkeit in der Wohnungswirtschaft tätig, 11 Jahre davon im Verband. „Ich habe das Gegenteil von dem gelebt, was die Jugend heute Work-Life-Balance nennt, meine Familie musste oft auf mich verzichten.“ Er habe nach den Worten von Johann Wolfgang von Goethe gehandelt: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“ Sein größter Dank galt den BWV-Mitarbeitenden, denn „was ist ein Chef ohne sein Team“. Seine größte Kritik ging in Richtung Politik.

Wolf wünscht sich für die Wohnungswirtschaft „weniger Dirigismus, dafür mehr unternehmerische Freiheit, um Lösungen zu finden, die zukunftsfähig sind“. Er selbst bleibt der Wohnungswirtschaft weiterhin erhalten: Als gewähltes Mitglied im Verwaltungsrat des BWV, sowie als Berater zweier Wohnungsbauunternehmen.

 

Bewährte Nachfolge im BWV-Vorstand

Für den scheidenden Vorstandsvorsitzenden sind seine Nachfolger ein „Wunschteam“. Den Vorstandsvorsitz übernimmt Jürgen Oelschläger. Der Dipl.-Betriebswirt ist bereits sei 2009 beim BWV tätig, seit 2013 als stellvertretender Vorstand und seit 2017 als Vorstand. Den bisherigen Aufgabenbereich von Jürgen Oelschläger übernimmt Maike Jutrzinski, seit 1. Januar 2023 Mitglied im Vorstand. Die Führungsriege ergänzt Dr. Manfred Pumbo als Vorsitzender des Verwaltungsrats seit 19. April 2023, dessen Mitglied er sei 2005 ist. Dr. Pumbo ist im Hauptberuf Chief Financial Officer und Chief Risk Officer der Gruppe Börse Stuttgart und Mitglied der Geschäftsführung der Börse Stuttgart GmbH.

 

Über den Bau- und WohnungsVerein Stuttgart

Der Bau- und WohnungsVerein Stuttgart blickt auf eine über 150-jährige Geschichte zurück. Er wurde im März 1866 unter dem Namen „Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen“ vom Politiker, Bankier, Genossenschaftler und Sozialreformer Eduard Pfeiffer (1835 – 1921) gegründet. Gegenstand und Zweck des Unternehmens war und ist der Bau und die Bewirtschaftung von Mietwohnungen, die der Wohnungsversorgung breiter Bevölkerungsschichten dienen. Seit 2004 hat der Bau- und WohnungsVerein Stuttgart (BWV) knapp 500 neue Wohnungen erstellt, 1.800 Wohneinheiten modernisiert oder saniert und dafür insgesamt rund 364 Mio. Euro aufgewendet. Das Eigenkapital stieg in dieser Zeit von 61 Mio. Euro auf 114 Mio. Euro.

Nachhaltige Bestandspflege, Quartiersbelebung sowie ökologisches Bauen und Wohnen bilden einen Schwerpunkt der Tätigkeit. In Stuttgart gehören dem Verein rund 120 denkmalgeschützte und stadtbildprägende Gebäude. Seit 2016 ist der Verein auch im Mietwohnungsbau in Freiberg am Neckar, Gerlingen und Winnenden tätig.

Ansprechpartner für die Presse:
Laura Kaminsky
Bau- und WohnungsVerein Stuttgart
l.kaminsky@bwv-stuttgart.de
0711-94541-182


 

Unverschämt reich und unglaublich spendabel

Stuttgarter Zeitung von Thomas Faltin 16. Juli 2016

 

 


 

Den günstigen Bauträgern fehlt der Boden

Wohnungsbau in Stuttgart

Stuttgarter Zeitung von Sven Hahn 07. März 2016

Der Bau- und WohnungsVerein Stuttgart ist der älteste Bauträger der Stadt. Der Vorstandsvorsitzende, Thomas Wolf, beklagt: „Es fehlt der politische Wille für mehr Wohnungsbau.“

Stuttgart - Bauherren, die in Stuttgart Wohnungen errichten und am Ende günstig vermieten wollen, sind rar. „Doch das ist genau unser Auftrag“, erklärt Thomas Wolf. Er ist der Vorstandsvorsitzende des Bau- und Wohnungsvereins und Sprecher aller ehemals gemeinnützigen Wohnbauunternehmen. Doch trotz dieser Haltung denkt Wolf inzwischen laut darüber nach, nicht länger in der Landeshauptstadt zu bauen. Der Grund: „Es fehlt der politische Wille für mehr Wohnungsbau.“

Laut Thomas Wolf ist die Situation mehr als schwierig. Die Verwaltung und der Gemeinderat sind strikt gegen neue Baugebiete. Man setzt auf Innenentwicklung. „Dafür müssten wir Bestandsgebäude abreißen, um dort bauen zu können. Doch das ist politisch nicht beliebt“, so Wolf. „Aber über Wohnbau auf der grünen Wiese wird nicht einmal diskutiert“, sagt der Vorstand weiter. Der Bau- und Wohnungsverein wolle zwar bauen, so Wolf. „Doch wir wissen langsam nicht mehr wo.“

Das Unternehmen feiert am Dienstag sein 150-jähriges Bestehen und ist damit der älteste Bauträger der Stadt. „Gutverdienende werden auch in Zukunft kein Problem haben, hochwertigen Wohnraum in guter Lage zu finden“, schreibt Wolf in der Pressemitteilung zum Jubiläum und fügt hinzu: „Unsere Klientel ist aber der normale Angestellte oder Arbeiter – die Krankenschwester, der Erzieher der Beamte oder der Handwerker.“ Im Gespräch mit der StZ ergänzt er: „Schon junge Akademiker haben inzwischen kaum mehr eine Chance, eine Wohnung in der Stadt zu finden.“

Gründung im Jahr 1866

Das Unternehmen wurde 1866 von Eduard Pfeifer gegründet und hat derzeit fast 5000 Mietwohnungen und damit mehr als 300?000 Quadratmeter Wohnfläche in seinem Bestand. Bis auf wenige Ausnahmen befindet sich alles auf Stuttgarter Markung. Doch das könnte sich rasch verändern. „Auf dem freien Markt können wir uns nicht mit Grundstücken versorgen“, sagt Wolf. Bei den Preisen, die von institutionellen Anlegern oder gewinnorientierten Bauträgern bezahlt würden, könne man nicht mitgehen. Wolf erklärt in diesem Zusammenhang seine Kalkulation: „Wir rechnen derzeit mit Herstellungskosten von rund 2800? Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.“ Das seien allein die Baukosten. „Der Grundstückspreis ist darin nicht eingerechnet.“ Wenn das Unternehmen nun auf eigenen Grundstücken baut, strebt Wolf eine Miete für die Neubauwohnungen von unter elf Euro pro Quadratmeter an. „Das gilt etwa für die 93 Wohneinheiten nahe der Darmstädterstraße in Bad Cannstatt“, sagt er. Müsse man den Preis für das Grundstück jedoch hinzurechnen, komme man schnell auf eine Kaltmiete von mehr als 13 Euro. „Wir sind also auf günstige Grundstücke der Stadt angewiesen“, sagt er.

„Was uns Sorgen bereitet, es kommen weitere Folterwerkzeuge auf uns zu“, so Wolf. Der Chef des Bau- und Wohnungsvereins spielt damit auf Vorschriften für den Neubau an, die sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen sollen. „All das macht das Bauen und somit die Mieten teurer“, sagt er.

Soll die Stadt wachsen, ja oder nein?

Mit Blick auf Stuttgart fordert Thomas Wolf eine Grundsatzentscheidung von der Politik: „Soll die Stadt wachsen, ja oder nein“, fragt er in Richtung Rathaus. „Ich bin mir sicher, sagt Wolf zu diesem Thema, dass die Stadt angesichts des immer weiter steigenden Drucks auf dem Wohnungsmarkt mittelfristig nicht umhinkommt, neue Baugebiete auszuweisen.“ Als Gründe nennt Wolf sowohl die Zuwanderung von Fachkräften, die von der boomenden Wirtschaft rund um Stuttgart angelockt werden sowie den massiven Zustrom von Flüchtlingen. „Derzeit stehen knapp 4000 Haushalte auf der Warteliste für eine Sozialwohnung“, sagt er und fügt hinzu: „Ich rechne damit, dass dort bald 7000 stehen werden.“

Das 150-jährige Bestehen des Bau- und Wohnungsvereins wird am Abend in der Alten Reithalle gefeiert. Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) wird am Abend zwar vom Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) vertreten, in der Presseerklärung zum Jubiläum bezeichnet der OB das Unternehmen jedoch als „Pionier des Gemeinnützigkeitsgedankens und des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland“.


 

Abrissgebäude werden zur Notunterkunft

Flüchtlinge in Stuttgart-Botnang

Stuttgarter Zeitung von Torsten Ströbele 11. November 2015 - 01:17 Uhr

Der Winter naht, und die Stadt benötigt dringend Plätze für Flüchtlinge. Nun werden an der Beethovenstraße für etwa fünf Monate rund 130 Flüchtlinge einziehen.

Stuttgart-Botnang - Die Stadtverwaltung ist händeringend auf der Suche nach Interimsquartieren für Flüchtlinge. Erster Bürgermeister Michael Föll sagte vor rund zwei Wochen, dass bis zum Ende des Jahres noch 800 bis 1000 Plätze gefunden werden müssen. 165 Flüchtlinge werden nun in den nächsten Tagen in Botnang vorübergehend ein neues Zuhause finden.

Ab dem 23. November sollen sukzessive 26 Wohnungen in den Gebäuden der Beethoven­straße 60 bis 70 von rund 130 Flüchtlingen bezogen werden, bestätigt Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften und Wohnen auf Nachfrage der Nord-Rundschau. Die drei Gebäude gehören dem Bau- und Wohnungsverein Stuttgart. Sie sind in die Jahre gekommen und sollen abgerissen werden. "An den Plänen hat sich nichts geändert", betont Vorstandsmitglied Jürgen Oelschläger. "Wir wollen im Frühjahr abreißen." Das sei auch so mit der Stadt besprochen.

Wegen des anstehenden Winters müsse man aber eh damit warten. Solange könne die Stadt die Gebäude als Notquartier nutzen. "Wir sind froh, wenn wir der Stadt diesbezüglich helfen können", sagt Jürgen Oelschläger. Derzeit seien noch vier Wohnungen an der Beethovenstraße 60 bis 70 von aktuellen Mietern belegt. "Die Mietverhältnisse sind aber zum 30. November gekündigt. Das hat allerdings nichts mit den Flüchtlingen zu tun", betont Oelschläger.

Der Bau- und WohnungsVerein Stuttgart hatte im Februar 2013 seine Neubaupläne im Rahmen einer Bezirksbeiratssitzung vorgestellt. „Die Gebäude aus dem Jahr 1927 haben vielleicht noch eine Restdauer von zehn bis 15 Jahren“, sagte der Vorstandsvorsitzende Thomas Wolf damals. Es müsse sich deshalb unbedingt etwas tun. An Fassaden, Dach und Decke sei keine Wärmedämmung vorhanden. Knarrende Holzböden wären beim Thema Schallschutz problematisch. Auch an den Holzfenstern habe der Zahn der Zeit genagt. Die Gebäude seien nicht barrierefrei zugänglich. Es gebe keine Balkone. Und auch die Grundrisse der Wohnungen seien nicht mehr zeitgemäß: Alle Zimmer seien zur Straße hin orientiert und mit maximal 18 Quadratmetern viel zu klein. Ein Neubau sei an dieser Stelle sinnvoll.

Auch an der Zumsteegstraße werden Flüchtlinge erwartet. Das sieht Wolfgang Reitzig anders. Seine Mutter wohnt noch an der Beethovenstraße. Die neuen Wohnungen, die ihm vom Bau- und WohnungsVerein Stuttgart angeboten wurden, nennt er „einen Witz mit Anlauf“. Eine Wohnung habe sich in Feuerbach gefunden. Seine Mutter sei aber alleine schon wegen der Ärzte an Botnang gebunden. Drei andere Angebote bezeichnet Reitzig als Wohn-Klos. „Einige der noch verbliebenen Mieter weigern sich auszuziehen und wollen den Abriss verhindern“, sagt Reitzig. Oelschläger geht dagegen davon aus, dass alle vier verbliebenen Mietparteien noch ausziehen werden. Das sieht Wolfgang Reitzig anders: „Ich weiß, was ich tue.“ Wie lange seine Mutter und er nun gemeinsam mit den Flüchtlingen an der Beethovenstraße leben werden, wird sich zeigen.

Mittlerweile hat auch Botnangs Bezirksvorsteher Wolfgang Stierle Bescheid bekommen, dass in den nächsten Tagen neue Bewohner in den Gebäuden des Bau- und WohnungsVereins Stuttgart einziehen werden. „Ich halte mit keinen Informationen hinter dem Berg, aber ich bekomme solche Dinge leider auch nur sporadisch mitgeteilt“, sagt der Schultes. Während er gedanklich bei der Beethovenstraße sei, werde er allerdings schon an diesem Mittwoch real mit weiteren Flüchtlingen an der Zum­steegstraße konfrontiert. Wie die Sozialarbeiterin von der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt, Susanne Weimer-Aue, bestätigt, erwartet sie an diesem Mittwoch weitere sieben Familien und somit insgesamt weitere 35 Personen – darunter 22 Kinder und Jugendliche. Somit seien zwölf der 13 Wohnungen an der Zumsteegstraße 1 bis 3 belegt. Die Stadt hatte ursprünglich vor, dass nur in fünf Wohnungen Flüchtlinge einziehen werden. Insgesamt werden ab Mittwoch dann doch 56 Menschen in den beiden Gebäuden der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft leben. Susanne Weimer-Aue hat von den Neuankömmlingen vor etwa anderthalb Wochen erfahren, Stierle erst am Montag und das durch Zufall. Darüber ist der Bezirksvorsteher alles andere als erfreut: „So kann man mich nicht im Regen stehen lassen.“ Und auch der Freundeskreis brauche die Informationen und etwas Vorlauf, um die Flüchtlinge begrüßen und sich um sie kümmern zu können, betont er.


Kinder suchen sich ihre Wahl-Omas und -Opas

Das Wohncafé in Ostheim

Stuttgarter Zeitung von Georg Linsenmann 10. November 2015 - 07:30 Uhr

Das Wohncafé Ostheim gilt als besonders gelungenes Beispiel für integratives Wohnen. Barrierefreiheit ist selbstverständlich – und eine Hauptamtliche unterstützt die vielen Ehrenamtlichen bei der Organisation des Angebots.

S-Ost - Zunächst einmal ist das Wohncafé im Gebäuden der Rotenbergstraße 110 ein Treffpunkt: für die Mieter im Haus, aber auch für Anwohner und für den ganzen Stadtteil, denn das Wohncafé ist öffentlich zugänglich. Darüber hinaus ist ein Wohncafé aber auch ein weitergreifendes Konzept, das helfen soll, älteren Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben im gewohnten Umfeld zu ermöglichen und zudem Chancen gegen drohende Alterseinsamkeit bieten will.

Ein noch relativ junger Ansatz, von dem 2008 gegründeten Stuttgarter Verein Integratives Wohnen ins Werk gesetzt. Der Verein selbst ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband – und wird getragen von Wohnungsunternehmen. Aktuell sind das 13 Genossenschaften, dem fast 150 Jahre alten, stiftungsähnlichen Bau- und WohnungsVerein Stuttgart sowie zwei GmbHs. Für diesen Verbund wiederum bildet der Verein Integratives Wohnen „das Dach“, unter dem Wohncafés realisiert werden. Aktuell sind es in Stuttgart 14 an der Zahl, 16 insgesamt mit jenen in Esslingen und Kirchheim/Teck. „Und drei weitere sind in der Pipeline“, sagte Dagmar Lust bei einer Rundfahrt für Vorstände der Wohnungsunternehmen.

Eine Hauptamtliche hilft den Ehrenamtlichen

Voraussetzung für die Einrichtung eines Wohncafés ist zunächst die völlige Barrierefreiheit, für die der Bau- und WohnungsVerein Stuttgart als Eigentümer beim Ersatzbau für das nicht sanierungsfähige Altgebäude sorgte. Hinzu kommt das im Haus verortete Pflegeangebot, das im Wohnprojekt Ostheim, in dem auch viele Familien wohnen, von Anna-Haag-Mobil bedient wird.

Bei der Einrichtung des 2013 eröffneten Wohncafés ging der Bau- und Wohnungsverein aber einen Schritt über die geforderten Bedingungen hinaus, wie der Vereinsvorstand Thomas Wolf erläuterte: „Im Wohncafé hängt viel vom ehrenamtlichen Engagement ab. Wir wollten aber, dass das dauerhaft lebt und haben uns gesagt: Das darf uns etwas kosten. Wir wollten eine hauptamtliche Organisation, die den Ehrenamtlichen hilft, das Ganze organisiert und auch mit Veranstaltungen Impulse setzt.“

Mittagstisch, Rückengymnastik, Kulturprogramm

Das macht hier die Quartiermanagerin Rosa Vollmer von Anna-Haag-Mobil, die zur Hälfte auch im Pflegedienst in der Oststadt arbeitet: „Das bringt viele Vorteile“, berichtet Vollmer, „ich kann oft frühzeitig sehen, wenn jemand Hilfe braucht, kann aber auch mal jemanden aus dem Quartier einladen.“ Nicht zuletzt sorgt sie für das vielfältige Angebot: Mittagstisch drei Mal die Woche, gemeinsames Kochen, Rückengymnastik, Sonntagsbrunch, Nachbarschaftstreff mit gemeinsamem Abendessen, Generationen-Frühstück. Auch öffentliche Veranstaltungen wie ein Thaddäus-Troll-Programm diesen Sonntag.

Nicht zuletzt wichtig aber sei der Alltag: „Für die Bewohner ist das Wohncafé wie ein erweitertes Wohnzimmer. Hier können sie sich zwanglos treffen, gemütlich sitzen, sich unterhalten. Das wird richtig gut angenommen“, betont Vollmer, „das ist ein Stück Lebensqualität für die Menschen hier.“ Ein weiteres Pfund in dieser Hinsicht: die angegliederte Kindertagesstätte. Hier mischen sich die Generationen, hier passieren Begegnungen einfach so. Eltern können ihre Kinder springen lassen, einen Kaffee trinken und sehen, wie die Kinder unter der Obhut ihres Wahl-Opas oder ihrer Wahl-Oma sind. Das ist etwas, was alle als sehr positiv erleben. Oder, wie es ein Bewohner formulierte: „Das Wohncafé ist der Grund dafür aufzustehen, sich anzuziehen und aus seiner Wohnung zu gehen.“